Steigende Wassertemperaturen gefährden die Fischvielfalt

Wie sich der Klimawandel auf den Gewässerkanton Aargau auswirkt

Die Artenvielfalt im Flusskanton Aargau ist unter Druck. Das stellt Florian Randegger vom Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau,
Abteilung Wald, Jagd und Fischerei, fest. Grund ist unter anderem der Klimawandel, der die Gewässerökosysteme verändert.

Herr Randegger, kann man den Schaden für die Fischerei und die Gewässerökologie nach diesem
heissen Sommer überhaupt beziffern?

Florian Randegger: Wenn Bäche stellenweise austrocknen, können Fische und andere Wasserlebewesen nicht mehr in kühlere Abschnitte ausweichen. Sie verenden dann in den verbleibenden und stark aufgeheizten Wasserlöchern. Manchmal können die Fische mit «Notabfischungen» in Bereiche umgesiedelt werden, wo noch Wasser fliesst. Aber solche Stellen sind bei langer Trockenheit kaum vorhanden, zudem bedeutet das Umsiedeln Stress für die schon geschwächten Tiere und die Gefahr der Verschleppung von Krankheiten ist gross. In früheren Hitzejahren kam es auch zu Massensterben von Fischen in den grossen Flüssen, dort aufgrund der Wassertemperaturen, die über für Fische tödliche Werte angestiegen sind. Grosse Fischsterben werden in der Regel bemerkt, bei kleineren Fischbe ständen oder in Gewässerbereichen, welche nicht täglich beobachtet werden, verenden viele Fische und vor allem die weniger gut sichtbaren Wassertiere wie Flusskrebse oder Makrozoobenthos, also Larven von Stein , Köcher und Eintagsfliegen, Libellenlarven, Flohkrebse, etc. unbemerkt. Es ist deshalb für uns nicht möglich, einen genauen Schaden zu beziffern.

Nehmen wir an, die trockenen Sommer werden normal. Was würde das für das Ökosystem Gewässer generell bedeuten?

Diese Veränderung setzt die Gewässerökosysteme, welche bereits stark durch menschgemachte Stressfaktoren wie Verbauungen, chemische Verunreinigungen oder Veränderungen der Abflussdynamiken durch die Wasserkraft beeinträchtigt sind, zusätzlich unter Druck. Fische und andere wechselwarme  Lebewesen können sich nicht ohne Weiteres an höhere Wassertemperaturen anpassen

 

Was sind die Auswirkungen?

Bereits im Gang sind Veränderungen der lokalen Lebensbedingungen für Wassertiere durch steigende Wassertemperaturen und die jahreszeitliche Verschiebung der Abflüsse (häufigere und grössere Hochwasser im Winter,  Sommertrockenheit). In den Seen verändern die steigenden Oberflächenwassertemperaturen die Durchmischung der Wasserschichten. Durch die zunehmenden Hitzewellen und Trockenheitsperioden im Sommer kommt es zu vermehrtem Überschreiten der Wassertemperaturtoleranzwerte für kälteliebende Fischarten sowie zum häufigeren kompletten Trockenfallen von Gewässerabschnitten. Schliesslich ist eine zeitliche Verschiebung von biologischen Entwicklungsprozessen im Jahresverlauf festzustellen, zum Beispiel früheres Schlüpfen von Insektenlarven oder Wachstum von Algen, mit der Folge einer Entkoppelung dieser Nahrungsgrundlage für den Rest der Nahrungskette. Diese Nahrung fehlt dann für Jungfische.

 

Welche Arten leiden besonders unter Trockenheit und hohen Temperaturen?

Es wird vor allem kälteliebende Arten betreffen. Gewässerorganismen sind an bestimmte Lebensraumbedingungen wie Gewässertemperatur, Fliessgeschwindigkeit, Wassertiefe, Struktur der Gewässer, Wasserchemie etc. angepasst. Spezialisierte Arten tolerieren dabei nur kleine Variationen in den Lebensraumbedingungen und leben in ökologischen Nischen. Generalisten sind weniger anspruchsvoll und können in einem breiten Spektrum von Lebensräumen überleben.

Was heisst das für den Gewässer kanton Aargau?
 

Der Klimawandel verändert die Gewässerökosysteme, was zu einer veränderten Artenzusammensetzung führt. Der Flusskanton Aargau wird seine an die spezifischen Lebensbedingungen in Flüssen angepassten typischen Fischarten langfristig verlieren: Spezialisten wie Äschen, Forellen und Nasen sind besonders stark unter Druck. Profitieren werden Generalisten und auch eingeschleppte, standortfremde Arten. Die Artenvielfalt, die den Aargau und seine Gewässer bisher ausgezeichnet hat, ist gefährdet.

 

Alle brauchen Wasser: als Trinkwasser, zur Bewässerung in der Landwirtschaft, zur Energiegewinnung ... Werden wir auch in Zukunft genügend Wasser zur Verfügung haben?


Grundsätzlich wohl nein. Die fortschreitenden Klimaveränderungen werden sich auf die Trinkwasserverfügbarkeit und das Grundwasser sowie die Verfügbarkeit von Wasser für Energieproduktion, Landwirtschaft und Industrie auswirken. Die langfristigen Szenarien zeigen auf, dass der Jahresnieder schlag bis Ende dieses Jahrhunderts zwar ungefähr gleichbleiben wird, sich die Niederschlagsmengen im Jahres verlauf aber stark verschieben. So werden wir Jahreszeiten mit starken Hochwassern durch nasse Winter mit viel Niederschlag (der vermehrt in Form von Regen niedergeht) erleben und uns gleichzeitig mit heissen und trockenen Sommern und extremen Niedrigwasserabflüssen arrangieren müssen. Seltene Extremereignisse wie Jahrhundertregen und Hitzewellen werden häufiger auf treten. Die Problematik verschärft sich durch das Abschmelzen der Gletscher, die damit ihre puffernde Wirkung auf die Abflüsse verlieren.

Die Förster reagieren auf den Klimawandel mit der Pflanzung von Buchen und Eichen statt Fichten in die Wälder, sogar mit Marronibäumen. Wäre ein ähnliches Szenario auch in Flüssen denkbar, statt kälteliebende Fische Arten, die Wärme besser vertragen?

Dieser Wandel in der Artenzusammensetzung wird sich auch ohne unser Zutun vollziehen und ist in vielen Gewässern bereits im Gange.

Das hat Folgen für die Fischerei ...

Die Verschiebung in der Artenzusammensetzung wird sich auf die Sport und Berufsfischerei auswirken. Wurde in den Flüssen früher hauptsächlich auf Äsche und Forelle gefischt, so ist heute häufig zum Beispiel der Wels Zielfisch.

Das warme Wasser lässt Algen und Seegras spriessen wie verrückt. Ist das negativ für Fische und andere Wassertiere?

Nein, das ist kein Problem, viele Fisch arten legen zum Beispiel ihre Eier an Wasserpflanzen ab. Da aber warmes Wasser weniger Sauerstoff aufnehmen
kann, kommen Fische durch Sauerstoffmangel unter Druck, sie sind dann gestresst und zum Beispiel anfälliger für Krankheiten. Zudem sind physiologi
sche Prozesse im Fischkörper sowie die Nahrungsaufnahme gestört, was neben dem Ersticken bei kälteangepassten Arten zum Tod führen kann.

Kann oder muss man solches Wachstum eindämmen, beziehungsweise «mähen»?

Eventuell kann ein massives Pflanzenwachstum zu Hochwasserproblemen führen, da Pflanzen den Wasserabfluss behindern können. Wir begegnen dem Problem damit, indem wir versuchen, die Gewässer mit Ufergehölz besser zu beschatten: das hilft gegen ein extremes Aufheizen im Sommer und beugt dem starken Wasserpflanzenwachstum vor.


Die Freizeitgesellschaft freuts: länger in den Flüssen und Seen schwimmen, Stand upPaddeln, Schlauchboot fahren. Welchen
Einfluss hat das Freizeitverhalten auf das Ökosystem Gewässer?

Es kommt zu einer vermehrten Störung der Wasservögel und Brutvögel und auch der Laichplätze der kieslaichenden Fischarten. Während Hitze und Trockenperioden sind die verbleibenden letzten kühlen Stellen an Bächen und Flüssen auch für Fische die überlebenswichtigen Rückzugsstellen, wo sie der Hitze ausweichen. Hier sind Störungen durch Menschen besonders fatal.

Wie können WWF und andere Umweltorganisationen aus Ihrer Sicht zu einer Verbesserung der Situation beitragen?

Sie können sich politisch für Themen wie Wasserkraft und Wassernutzung, Gewässerschutz, Renaturierung, Gewässerraum, Vernetzung, Restwassermengen, Wasserrückhalt, Umgang mit der Ressource Wasser einsetzen.


Was kann und muss ich als Privat person konkret zum Schutz unserer Gewässer beitragen?

Es ist sinnvoll, Wasser und Energie zu sparen und an der Urne im Sinne der Umweltanliegen abzustimmen. Auch kann man sich lokal für den Gewässerschutz engagieren.

 

Eddy Schambron,
Vorstand WWF Aargau

 

 

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